Tatjana Jefimowna S. – Freitagsbrief Nr. 189

Belarus, Gebiet Mogiljow

Guten Tag, sehr geehrter Vorstand des Vereins „KONTAKTY“!

Ich danke Ihnen für Ihre gute Einstellung und die guten Wünsche, die Sie an mich geschickt haben! Ich wünsche Ihnen ebenfalls alles Gute für Ihr Leben und das Leben der deutschen Bürger, die die schrecklichen Verbrechen, die ihre Väter und Großväter gegen unser Belarus und das gesamte sowjetische Volk begangen haben, bekennen und bereuen.

Ich habe über die Stiftung „Gegenseitiges Verständnis“ 300 Euro erhalten, die Sie mir zugesandt haben. Ich danke Ihnen für dieses Geschenk, für diese symbolische Summe als Geste der Anerkennung des Unglücks, das unser Volk und insbesondere unsere Familie während des Krieges erleiden musste.

Allen Menschen, die in diesem blutigen Krieg gelitten haben, wünschen wir, dass Ihr Verein und andere ähnliche friedliebende Vereine alles tun, damit die Gräueltaten der faschistischen Wehrmacht und ihrer Handlanger in Belarus in Deutschland nicht in Vergessenheit geraten. Und Sie haben völlig Recht, dass wir, die Überlebenden dieser schrecklichen Qualen, keine Worte der Entschuldigung oder Bitten um Vergebung von Deutschland gehört haben.

Die meisten derjenigen, die unter der Last des Krieges gelitten haben, sind nicht mehr am Leben. Diejenigen, die während des Krieges minderjährig waren, bleiben zurück. Ich war damals jung und kann mich nicht mehr an viel erinnern. Ich erinnere mich an das Leben in einer Erdhütte, nachdem die Deutschen unsere Hütte niedergebrannt hatten, ich erinnere mich an Hunger, Kälte und ständige Angst, Angst, Angst. In der Folgezeit wollten sich meine Eltern nur ungern an das Erlebte erinnern – sie wollten es nicht noch einmal durchmachen.

Auch die Nachkriegsjahre waren sehr schwierig. Bis zum Wiederaufbau lebten wir noch in Erdhütten und all das. Aber langsam schwand die Angst, und die Hoffnung und der Glaube kamen auf, dass eines Tages alles allmählich wieder aufgebaut wird und wir wieder wie früher leben werden.

Nichts für ungut, aber das Wort „Deutscher“ war lange Zeit das meistgehasste Wort.

Jetzt herrscht in Weißrussland Frieden, aber überall auf der Welt hören die Kriege nicht auf, in einigen Ländern lebt der Faschismus wieder auf. Sehr viele Menschen auf der Erde leben in Angst. Wie sehr wünscht man sich, dass die Kräfte des Lichts gewinnen und Frieden auf dem ganzen Planeten herrscht.

Mit Hochachtung für Sie,

Tatyana Jefimowna S.

Mit freundlichen Grüßen. 31. August 2021.                                        (Unterschrift)

Auf Bitten von Tatjana Efimowna wurde dieser Brief von ihrer Nachbarin Raisa Stepanowna P. formuliert und geschrieben.

Ich kann sehr gut verstehen, wie schwer es für sie und ihre Familie war, den Krieg zu überstehen, denn meine Familie hat die gleichen Härten des Krieges durchgemacht, als sie während des gesamten Krieges in der Stadt Mogilyow evakuiert war.

(Unterschrift)

Übersetzung aus dem Russischen Karin Ruppelt