Svetlana Nikolaevna P. – Freitagsbrief Nr. 219

Cherkassy, Ukraine
24.09.2022

Hallo, geschätzte Mitglieder des Vorstandes des Vereins KONTAKTE – KOHTAKTbI

Svetlana Nikolaevna P., geboren 1940 und wohnhaft in Tscherkassy, Ukraine, eine ehemalige minderjährige Gefangene in der Stadt Herten, schreibt Ihnen.

Ich habe einen Brief von Ihnen mit Worten des Friedens, der Hoffnung, des Respekts und des Wohlstands erhalten. Unser Land durchlebt derzeit eine sehr schwierige und harte Zeit. Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal einen Krieg miterleben muss, der uns aufgezwungen worden ist. Wie man so schön sagt, hatten wir eine angstvolle und schwierige Kindheit und jetzt ist es das Gleiche im Alter.

Sie bitten mich, meine Erinnerungen an meine Zeit in den Lagern in Herten mit Ihnen zu teilen. Natürlich sind es nur sehr wenige, aber es gibt sie doch. Wir wohnten in Baracken, die mit Stacheldraht umzäunt waren, dahinter standen Soldaten mit Maschinengewehren, die die Kinder bewachten, während die Erwachsenen bei der Arbeit waren. Wir Kinder hatten große Angst vor ihnen. Ich erinnere mich an solche Momente: Ein Soldat bat mich, ein Lied zu singen, und ich, noch ein Kind, sang „Katjuscha“, und er warf mir ein Bonbon über den Maschendraht zu.

Meine Mutter erzählte mir, dass vielen Kindern Blut abgenommen wurde. Sie waren alle sehr dünn, weil sie unterernährt waren. Aber bei Fliegeralarm rannten alle in die Luftschutzkeller: Russen und Deutsche gleichermaßen, und dort tat uns niemand etwas. Sie wissen, dass alle Kinder Spielzeug lieben, aber wir hatten keines. Also bastelte ich mir eine Puppe aus Stoffresten und Lumpen und spielte mit ihr, und sie war mein Lieblingsspielzeug.

Als ich meine Mutter bat, mir von unserem Aufenthalt in den Lagern in Herten zu erzählen, mochte sie nicht darüber sprechen, sie antwortete nur, dass es eine sehr harte und schreckliche Zeit war.

Vielen Dank, dass Sie mich nicht vergessen haben, ich freue mich sehr über Ihre Unterstützung und Hilfe. Ich nehme den Umschlag in die Hand und mein Herz füllt sich mit Wärme und Fürsorge.

Auch wenn wir im Herbst unseres Lebens grauhaarig werden, hoffe ich, dass wir bald Frieden und einen klaren Himmel haben werden.

Vielen Dank für Ihre Unterstützung und Ihren Respekt.

Möge Friede auf Erden und Brot auf dem Tisch sein.

Mit Respekt für Sie, Ihre

Svetlana Nikolaevna P.

Übersetzung aus dem Russischen: Karin Ruppelt und Igor Makarov