Prof. Dr. med. Alexander Isakowitsch Karachunskiy
Leiter der multizentrischen kooperativen Gruppe
„Moskau-Berlin-Protokoll“ (ALL-MB) zur Behandlung von Kindern mit akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL).
Institut für Pädiatrische Hämatologie, Onkologie und Immunologie
Ul. Samori Maschela 1, Moskau 117198.
1960 geboren, der Vater: Isaak Wolfenson, war von Beruf Elektroingenieur, die Mutter: Zinaida Karatschunskaja, Chemikerin von Beruf. Alexander Karachunskiy wuchs in Moskau auf. Schon als Zehnjähriger wollte er später Arzt werden und war aktiv in der Schulgruppe „Junge Mediziner“. Zu Beginn des Medizinstudiums wollte er zunächst Neurologe werden und widmete sich zunächst der Molekularbiologie. Dabei lernte er die Tragik der unter Stalin verfolgten sowjetischer Genetiker kennen. Alexander gewann die Erkenntnis, dass Wissenschaft unabhängig und frei von politischen Dogmen sein muss. „Ehrlichkeit, Ehrlichkeit! – prägte ihm sein Mentor am Institut für Molekularbiologie ein, Dr. Viktor Barskij.
Sein Doktorvater A. Rumanzew wies ihm den Weg zum Russischen Republiks-Kinderkrankenhaus, wo er als Arzt in der Onkologie-Hämatologie-Abteilung seinen Berufsweg begann. Es war eine Kinderkrebs-Station, in der nahezu alle Patienten starben, ein Albtraum für jeden Arzt. Ende der 80er Jahre lernte er die Erfolge im Westen kennen und stellte sich die brennende Frage: „Warum haben wir diese schrecklichen Ergebnisse, obwohl wir doch eigentlich die gleichen Medikamente nutzen wie in Deutschland?“ Als dann an seiner Station das deutsche Therapieprogramm BFM übernommen wurde und viele seiner Patienten auch an den Folgen der Chemotherapie verstarben, suchte er nach einer Lösung – und fand sie in Berlin. „Ich kam zu Prof. Henze, in dessen Station für Onko/Hämatologie im Virchow-Klinikum ich vier Monate lang gearbeitet habe. Ich konnte zunächst kein Wort Deutsch und absolvierte die ersten sechs Wochen einen Intensivkurs am Goethe-Institut. Im Austausch mit Günter Henze verstand ich allmählich, wie künftig unsere Patienten zu behandeln seien: Die Therapie muss einfacher in der Anwendung sein und nicht so toxisch, aber gleichwertige Ergebnisse wie das berühmte BFM-Protokoll erzielen.“ Es war die Geburtsstunde des „Moskau-Berlin-Protokolls“. Nach seiner Rückkehr übernahm Alexander die Leitung der Abteilung für Onkologie und Hämatologie am Republiks-Kinderkrankenhaus, wo er eine Revolution veranstaltete. Jede Krankenschwester war zuvor auf ein bestimmtes Behandlungssegment spezialisiert. So konnte sie keine Verantwortung für den ganzen Patienten empfinden. Alexanders Schlachtruf damals: „Richtige Patientenpflege nach deutschem Vorbild!“ Er kündigte allen, die dem nicht folgten und machte sich dabei nicht nur Freunde. Unnachgiebig sorgte er für Hygiene und war streng gegenüber Müttern, die mit schmutzigen Händen zu ihren Kindern ans Bett kamen. Ein gewissenhaftes Hygieneregime ist die Voraussetzung für die Behandlung von Kindern, deren Immunsystem in der Chemotherapie zusammenbricht. Unterstützt von KONTAKTE-KOHTAKTbI e.V. und anderen Förderern wie dem damaligen Arzt an der deutschen Botschaft, Dr. Martin Friedrichs, im ständigen Austausch mit seinen Berliner Kollegen, wurde diese Station mit ihren wachsenden Erfolgen zu einem Vorbild für alle russischen Kinderkrebs-Zentren, ja, zum Vorbild für die russische Medizin. „Es war wie im Krieg, Feind ist der Krebs. Ich lebte wie im Kampf, aus Sorge um das Leben dieser Kinder.“ Im Jahre 2001 musste Alexander Karachunskiy die Leitung abgeben und es gab einen schmerzhaften Einschnitt in seinem Leben. Er wurde Professor am staatlichen Russischen Institut für Kinderhämatologie, als wissenschaftlicher Berater zuständig für die pädiatrische Onkologie in Russland. Dies verbindet er mit seiner Lebensaufgabe als Leiter der in Russland bis heute einzigartigen kooperativen multizentrischen Studiengruppe, der ALL-MB-Gruppe: den Kampf gegen den Krebs fortzusetzen.