Litwinenko Feodosij Semenowitsch – Freitagsbrief Nr. 144

Russland, Kreis Stawropol

Aus dem Jahr 2009

Die kursiven Textabschnitte sind im Original deutsch. Wlassowzi waren Angehörige der „Russischen Befreiungs Armee“ auch  Wlassow-Armee genannt, einer 1944 aufgestellten kollaborierenden Osttruppe der Wehrmacht, überwiegend aus russischen sowjetischen Kriegsgefangenen rekrutiert.  Angehörige anderer sowjetischer Völer wurden schon ab 1941 in Ostlegionen rekrutiert.

Heil, liebe Herren!

Eure schöne Brief habe ich erhalten am 5.II-09. Dafür ich werde immer sehr dankbar. Und nun eine Meldung. Litwinenko Feodosij. Deutsch sprechend. Unzwar brockenweise, ganz gebrochen. Nur auf russisch. Erst Mal bin ich Ihnen, den Deutschen sehr dankbar für Ihre Menschlichkeit und Ihr Mitleid mit uns, den Kriegsgefangene. Es war im August 1941. Dank der Stalin’schen Dummheit und fehlender Weitsichtigkeit marschierte die Hitler Wermacht im Paradeschritt über das Sowjetland. Widerstand gab es selten. Ich gehörte zu einer der wenigen widerstehenden Einheiten , ich wurde verwundet. Und in verwundete Zustand Gefangene geworden.

Das Leben in der Gefangenschaft war kein Zuckerschlecken. Zuerst waren wir in einem Kartoffelkeller, dann in einem Pferdestall untergebracht. Am Morgen Tee 4 man 1 Brot.1 Brot  wog 1 kg. Um Mittag Dine [dünne] Suppe. Am Abend dasselbe. Schwere Arbeit, Unterernährung auch Typhus haben unsere Leute getötet. Täglich starben im Lager 6-8 Menschen. Im Herbst 1942 waren im Lager ca. 400 Menschen. Zum Frühjahr blieben es gerade Mal 35. nach den russischen Gefangenen krähte kein Rabe. Auch der „weise“ Stalin schwieg.

Die Engländer und Amerikaner hatten es in Gefangenschaft gut, waren in neue Uniformen gekleidet, wurden nicht geschlagen…Wir dagegen liefen in Lumpen rum, waren immer hungrig…. Aber nun kam die lang erwartete Befreiung. Es begann damit, dass ein sowjetischer Offizier mich mit einem Stock ins Gesicht geschlagen hat. Mit Gebrüll: „Du bist ein Wlassowetz, ich lass dich an die Wand stellen.“ Die Lagernummer war meine Rettung. Damit waren aber unsere Probleme nicht zu Ende – uns wurde immer vorgeworfen, wir seien ein schwarzer Fleck für die Heimat. Wir durften keine leitenden Funktionen bekommen, durften nicht als Lehrer oder in der Miliz arbeiten. In Versammlungen wurden wir als „deutsche tote Miststücke“ bezeichnet. So ging es, bis der „Vater aller Völker, Stalin“ krepierte.

Jetzt konnten wir aufatmen. Wir wurden als Kriegsteilnehmer anerkannt, bekamen ordentliche Papiere, unser Bürgerrecht. Den schwarzen Fleck gegenüber der Heimat sind wir los geworden. In keinem Land der Welt werden ehemalige Kriegsgefangene verfolgt. Nur in dem von Lenin gegründeten Staat. Ich glaube nicht, dass in Deutschland Menschen, die in russischer Kriegsgefangenschaft waren, verfolgt wurden.

Zum Schluss möchte ich noch sagen: Ich bewahre eine gute Erinnerung an diejenigen deutschen Soldaten, die sich nicht von A. Hitler beeinflussen ließen und uns menschlich behandelten. Es waren Menschen, die uns nicht geschlagen haben, sondern soweit sie konnten halfen. Ungeachtet dessen, dass für Beziehungen mit gefangene scharfe Strafen drohten. Das waren: Feldw. Granzow, Uffz. Anlauf, Schütze Hugo Binder, Gefr. Hübner. Grüsst euch Gott. Glückwunsch In Neue Year. 6.II.-09

Litwinenko

Übersetzung Peter Tichauer