Valentyna Mychajlivna G. – Freitagsbrief Nr. 168

Gebiet Rivne, Ukraine

Ich, G. Valentyna Mychajlivna, wurde 1945 in der Stadt Oberstedem, Bitburger Land, Deutschland geboren. Ich schreibe die Geschichte für Sie so auf, wie mir diese von meinen Eltern erzählt wurde. Meine Eltern – V. Olga Grygorivna und V. Mychajlo Volodymyrovytsch – wurden als Zwangsarbeiter im Februar 1944 aus der Stadt Dubno, Region Rivne, mit ihrer ganzen Familie nach Deutschland abtransportiert. Sie waren unter schrecklichen Umständen unterwegs, in einem Güterwaggon, der mit Stacheldraht eingezäunt war, unter Aufsicht. Man gab ihnen nichts zu essen und sie mussten ihre Notdurft direkt im Waggon verrichten. Zusammen mit meinen Eltern waren auch mein Bruder, damals 14, und meine Schwester, damals 6, unterwegs.

So kamen sie also nach Deutschland und wurden dann bei verschiedenen Bauern untergebracht. Meine Mama mit meiner Schwester Ludmila landeten bei dem einen Bauern, mein Papa bei einem weiteren und mein Bruder mit unserem Opa, der als Zwangsarbeiter ebenfalls mit abgeholt worden war,  bei noch einem weiteren Bauern. Sie alle waren aber in derselben Stadt Oberstedem angekommen.

Die Bäuerin meiner Mama war ein guter Mensch. Ihre beiden Söhne waren im Krieg. Bei ihr wohnten noch zwei Töchter, die eine davon war seit ihrer Geburt behindert. Meine Mama bewirtschaftete das Haus. Meine damals sechsjährige Schwester musste die Hühner füttern und Eier einsammeln. Außer meiner Mutter hatte die Bäuerin noch zwei weitere Zwangsarbeiter, einen Ukrainer und einen Franzosen. Sie durften alle an einem Tisch zusammen mit der Bäuerin und ihrer Familie essen und alle wurden von der Bäuerin gut behandelt.

Bei der Bäuerin blieben sie also bis Ende Februar 1945. Ab dem 23. Februar 1945 gab es in der Stadt Bombenangriffe durch Amerikaner. Alle mussten sich im Keller verstecken. Dann setzten die Wehen bei meiner Mutter ein. Die Bäuerin hat einen Hilfsarzt gerufen, der meiner Mutter bei der Geburt half. Dann hat die Bäuerin mich auf den Arm genommen und allen Anwesenden vorgeführt, es hieß, ein gesundes Mädchen sei geboren worden. Sie gab mir den Namen Waltraud, der so ähnlich wie der heimische Vorname Valja klang.

Nach der Befreiung der Stadt durch amerikanische Soldaten wurden alle Zwangsarbeiter im Stadtzentrum versammelt und dann ins Zwangsarbeiterlager nach Ruhland gebracht. Von dort aus wurden wir dann nach Hause in unsere Stadt Dubno zurückgeschickt. Unser Haus war zerbombt und es gab nichts zu essen. Nach dem Krieg hatten wir ein schweres Leben.

1964 habe ich dann nach dem Schulabschluss in Dubno mit einer Fachschulausbildung begonnen. Die Fachschule befand sich in der Stadt S., wo damals meine Schwester gewohnt hat. Hier wohne ich bis heute. Ich habe 37 Jahre und 6 Monate lang gearbeitet. Die ganze Zeit war ich in der offenen AG VOLYN‘ tätig.

Seit 2010 nehme ich an den medizinisch-sozialen Projekten der Gesellschaftlichen Vereinigung Stiftung „Gegenseitige Verständigung und Toleranz“ teil. Die Projekte werden in der Stadt S. umgesetzt und von  [Frau] S. L.D. geleitet. An den Projekten sind auch Mediziner und Sozialarbeiter beteiligt. Von diesen Menschen werden wir ständig unterstützt. Wir kommen häufig zusammen und führen Treffen und Trainings durch. Wir haben auch Ausflüge gemacht. Ich bin sehr dankbar für solche Projekte, die uns geistig und finanziell unterstützen und somit zum Leben inspirieren. Ich wünsche mir so sehr, dass diese Projekte fortgeführt werden.

Mit den besten Grüßen (gezeichnet) G. Valentyna Mychailivna

Übersetzung aus dem Ukrainischen Iryna Berndt