Jewgeni Gabrielowitsch Artemidse – Freitagsbrief Nr. 125

10.04.2009

An den Vorstand der Gesellschaft KONTAKTE-KOHTAKTbI, Berlin, von dem ehemaligen Kriegsgefangenen des faschistischen Deutschlands, dem Bürger Grusiniens [KONTAKTE-KOHTAKTbI: der Übersetzter hat die alte Bezeichnung für Georgien bevorzugt], Artemidse, Jewgeni Gabrielowitsch

MEINE ERINNERUNGEN

Liebe deutsche Freunde!

Ich wurde am 04.08.1920 im Dorf Kodiszkaro, Kreis Tetritzkaroisk, Grusinien, geboren.

Zum ordentlichen Armeedienst einberufen 1940. Diente in der Stadt Kamenez-Podolski. Habe in der höheren Offiziersschule gelernt. Wurde 2 Monate nach Beginn des Großen Vaterländischen Krieges, am 24.8.1941, im Kampf verwundet und von den Faschisten gefangen genommen.

Erst waren wir in einem Gefangenenlager in der Ukraine, dann wurden wir verlegt in Lager in Moldawien, Deutschland, Frankreich. An die Namen kann ich mich leider nicht erinnern. Zum Schluss waren wir dann in Holland, zuerst in der Stadt Zantborbard [Zantvoort?] und dann auf der Insel Texel. Wir waren da 700 Mann aus Grusinien. Am 5. April 1945 haben wir dort, unter Leitung von Hauptmann Schalwa Loladse einen Aufstand organisiert. Bei den bewaffneten Kämpfen sind 522 Grusinier und ca. 100 Holländer umgekommen. Auch unser Kommandeur Schalwa Loladse ist umgekommen. 228 Grusinier konnten sich retten. Heute sind in Grusinien nur noch zwei Mann, Teilnehmer der damaligen Ereignisse, am Leben.

Nach Kriegsende hat Lawrenti Berija vorgeschlagen, mich und den gefallenen Sch. Loladse als Held der Sowjetunion auszuzeichnen. Da meine materielle Lage sehr schwer war, habe ich beschlossen von dieser Auszeichnung Abstand zu nehmen und bekam statt dessen eine persönliche Pension.

Mein ganzes weiteres Leben habe ich in dem Verlag „Grusija-Kniga“ als Distributer (?) gearbeitet. Habe ein ukrainisches Mädchen, Krasche, Irina Kusminitschna, aus Sumy geheiratet, heute ist sie 93. Haben all die Jahre glücklich zusammen gelebt. Haben 2 verheiratete Töchter, wohnen von uns getrennt.

In meinem Haus im Dorf Manglisi habe ich ein kleines Museum eingerichtet, das über meine Kriegserlebnisse berichtet. Vor einigen Tagen hatte ich Gäste aus Holland, die einen Film über mich, als Teilnehmer des Aufstandes auf der Insel Texel gedreht haben.

1982 konnte ich die Insel besuchen und dort einen ganzen Monat verbringen. Ich schicke Ihnen eine Zeitung aus dieser Zeit in Holland. Auf den Bildern sehen Sie auch Linka Limeren und Anni Shorsheliani mit Tochter – Grusinierinnen, die in Holland leben.

Herr N. Anguladse, der mich in der Wohnung meiner Ehefrau in Tbilisi aufsuchte und mir freundlicherweise die humanitäre Hilfe, von freundlichen Menschen in Deutschland gespendet, übergeben hat, hat für Sie meine Erinnerungen notiert. Über ihn werde ich Ihnen auch eine Videokassette übergeben, wenn sie fertiggestellt ist und mir aus Holland geschickt wird. Nochmals meinen besten Dank an Sie dafür, dass Sie mich in guter Erinnerung behalten.

Hochachtungsvoll,

Jewgeni Artemidse

Übersetzung Peter Tichauer