Eva Ivanivna Ch. – Freitagsbrief Nr. 173

Ukraine, Gebiet  Chmelnyzkyj

Eine Anmerkung: Der Vater der Briefschreiberin war als sowjetischer Kriegsgefangener zur Bestrafung nachweislich von 1943 -1945 in den KZs Mauthausen und Dachau.  Die „Kompensation“ sollte er als KZ-Überlebender erhalten. 1994 hatte die Bundesrepublik Deutschland  400 Mio. DM  für NS-Opfer bereitgestellt, die Auszahlung an die Betroffenen zog sich allerdings in der Ukraine monatelang hin.

Sehr geehrte Mitarbeiter der Stiftung und des Verbandes,

es schreibt Ihnen Ljubov Ivanivna Sh. aus dem Dorf Velyka P., die Schwester von  Eva Ivanivna Ch.

Ich versuche nun, kurz auf Ihren Vorschlag einzugehen. Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Unterstützung, die Sie für meine Schwester geleistet haben. Es ist sehr bedauerlich, dass Eva Ivanivna Ch. verstorben ist. Sie hatte sich sehr über Ihre Unterstützung gefreut, aber der Tod nahm sie uns leider, leider weg.

Im Dezember 1942 wurde Hanna Ivanivna B., die Mutter von Eva, damals schwanger, als Zwangsarbeiterin in der Besatzungszeit nach Deutschland abtransportiert. Gelandet war unsere Mutter in einer Fabrik, die sich in der Stadt Guterschlech [so im Originaltext – Anm. des Übersetzers] [Gütersloh?] befand. Dort musste sie sehr schwer arbeiten.

Am 16. Juni 1943 wurde ein kleines Mädchen geboren, die auf Vorschlag deutscher Frauen Eva getauft wurde. Es war ein blondes Mädel mit blauen Augen. Dieses blauäugige Kind wurde von den deutschen Frauen ins Herz geschlossen, es wurde von ihnen gepflegt, gestillt (weil sie ihre eigenen Kinder stillten) und zu Spaziergängen mitgenommen. Unsere Mutter hatte dort ja keine Vergünstigungen, sie musste nach der Geburt dagegen wieder arbeiten. Unsere Mutter hat sich dort eine riesengroße Wunde an der Hand zugezogen, eine Schnittverletzung, es war eine Narbe, die ihr das ganze Leben lang Schmerzen bereitet hat. Unsere Mutter kam mit Eva, die damals fast 3 Jahre alt war, in die Heimat zurück. Das Mädchen sprach Deutsch. Der Vater von Eva war im Krieg gefallen, seine Tochter hat ihn gar nicht gekannt, obwohl sie ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten war. Sie hat ihn nur noch auf Bildern gesehen.

1948 heiratete unsere Mutter wieder. 1949 wurde dann ich geboren und später noch ein weiteres Mädchen und auch ein Junge. Bis zu ihrem Tod war Eva von uns allen geliebt. Ihr Stiefvater hat sie sehr gut behandelt. Er hat sie mehr als seine eigenen Kinder geliebt. Eva ging in die Schule, blieb im Dorf, heiratete und brachte ihren Sohn Juri zur Welt. Sie hat in der Kolchose gearbeitet. Sie war eher ruhig, fleißig, intelligent und hat sehr viel gelesen. Ihr Sohn arbeitet im Ausland (er hat 3 Kinder). Bis zu ihrem Tod wurde Eva von mir gepflegt. Eva wurde ihr ganzes Leben lang von niemandem unterstützt. Sie hat sich sehr für ihre Geburtsstadt Guterschleich interessiert. Darüber wüsste ich auch gerne etwas.

Weiterhin möchte ich Ihnen noch von meinem Vater (Stiefvater von Eva) berichten. Er hieß Sh. Ivan Gerassimovytsch und musste 5 Jahre seines Lebens in deutschen Konzentrationslagern verbringen. […] Im November 1995 ist er verstorben und im Februar 1996 gab es Unterstützung in Euro für ehemalige Kriegsgefangenen – er hatte also sein Geld nie erhalten. Er hatte ja sehr darauf gewartet. Das Geld hatte Deutschland an ihn geschickt, nur er war zu dem Zeitpunkt tot. Er hatte sehr darauf gewartet. […]

Ich danke Ihnen für alles, wünsche Ihnen allen gesund zu bleiben und Glück sowie viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.

Übersetzung aus dem Ukrainischen Iryna Berndt