Efrosinja Efimovna K. – Freitagsbrief Nr. 169

Gebiet Mogiljow, Belarus

Sehr geehrter Gottfried Eberle!

Ich schreibe diese Erinnerungen nach den Erzählungen meiner Mutter. Am Beginn des Krieges war sie 6 Jahre alt. Daher sind ihre Erinnerungen unvollständig und unzusammenhängend.

Die Dorfbewohner wohnten in Erdhütten. Einige Familien hatten Verwandte bei sich aufgenommen, die keine Erdhütten bauen konnten. Die Häuser hatten die Deutschen besetzt.

Als die Deutschen kamen, trieben sie einen Teil der Bewohner in ein Haus. Dort konnte man sich nicht setzen und nicht hinlegen. Andere wurden in Autos geladen. Später erfuhren wir, dass sie in die Pinsker Sümpfe gebracht worden waren. Die Mutter meiner Mutter (meine Großmutter Fenja) rannte zum Auto hin. Ein Deutscher packte sie am Kragen und warf sie auf die andere Seite. Damit rettete er ihr das Leben. Nicht alle Deutschen waren böse. Besonders schlimm wurde es, als die Deutschen auf dem Rückzug waren. Oft warfen sie Bomben. Die Leute hatten Angst, nachts in den Häusern zu schlafen. Sie schliefen einfach draußen oder auf dem Feld.

Wann ihr Dorf abgebrannt wurde, weiß meine Mutter nicht mehr. Sie erinnert sich aber an den Brand. Sie versteckten sich auf dem Feld, bis der Brand vorbei war und sie zurückkehren konnten. Der Zugang zum Dorf war vermint. Deshalb schliefen sie zwei Nächte auf dem Feld.

Meine Mutter erinnert sich auch noch an eine gute Tat eines Deutschen: Sie wurden aus dem Dorf gejagt, und in der Eile vergaß die Großmutter das Kleiderbündel. Mutters ältere Schwester Sonja sollte es holen. Der Deutsche ließ sie durch, und sie blieb am Leben. Es gab auch gute Deutsche. Ihnen sprechen die Kinder des Krieges ihren Dank aus.

Für unseren Vater erhielt meine Mutter Geld, weil er im Juli 2000 starb. Er war in einem Kinder-KZ gewesen. Unser Vater hat nie etwas über sich erzählt.

Unsere Familie bedankt sich beim deutschen Volk für die Hilfe. Wir sind dankbar dafür, dass das deutsche Volk die Schrecken des Krieges in Erinnerung behält.  

Ihnen allen alles Gute

Entziffert von Igor Makarow, übersetzt von Karin Ruppelt