Grigorij Abramovich K. – Freitagsbrief Nr. 150

Dieser Brief eines jüdischen Ghettoüberlebenden wurde aufgeschrieben vom  Gebietsvorsitzenden der Ukrainischen Assoziation der jüdischen KZ- und Ghettoüberlebenden im Gebiet Iwano-Fankiwsk, der selbst Sohn eines  Ghettoüberlebenden ist.

Ukraine, Gebiet Iwano-Frankiwsk

Sehr geehrte Herren! Ich erhielt Ihre Hilfe, für die ich dankbar bin. Ich bin froh, dass es in Europa Menschen gibt, die menschlich und zu Mitgefühl fähig sind. Schließlich sahen wir in den Jahren 1941 – 1944 ein völlig anderes Europa.

Ich war während des Krieges in Odessa. Die Rumänen versuchten, die Stadt zu stürmen, die Deutschen bombardierten uns aus der Luft. Das Wasser wurde abgestellt, psychische Angriffe wurden organisiert, aber Odessa hielt durch. Die Einheimischen erfanden einen „Panzer“ eigener Bauart. Es war ein Traktor mit einer Kleinkaliber-Kanone. Er wurde „ZE“ genannt – „Zum Erschrecken“. Die Feinde hätten Odessa nicht einnehmen können, aber da kam der Befehl, die Stadt zu verlassen. Und zu uns kamen die Rumänen, diejenigen, die nicht kämpfen konnten. Aber sie konnten spionieren, verhaften. Mein Vater wurde viele Monate lang von den Sigurancen in ihren Folterkammern gefangen gehalten. So wurde der rumänische Geheimdienst (Securitate./ d. Übers.) genannt. Tausende von Menschen wurden umgebracht, und mein Vater war einer von ihnen. Mein Bruder, meine Mutter und ich suchten ihn unter den 200 Leichen, die nach der Befreiung der Stadt auf dem Kai ausgestellt wurden. Meine Mutter erkannte meinen Vater. Wir nahmen ihn mit und begruben ihn. Die Bilder der Suche habe ich noch immer vor Augen. Und ich bin jetzt 86 Jahre alt. Die Ärzte sagen: „Sie haben Parkinson, und die Ursache ist nicht bekannt“. Und ist der Schmerz, den ich ertragen habe, etwa keine Ursache?                                                                                                                             

Ihre Hilfe kam wirklich sehr gelegen. Ich musste nämlich ein Auge operieren lassen und das andere muss auch behandelt werden.

Also, ich danke Ihnen von Herzen.

Nach dem Diktat von Grigorij Abramovich K. niedergeschrieben von A.V. Obydennyj

(Unterschrift) 06.09.2020.