Alexandra Nikititschna A. – Freitagsbrief Nr. 201

Belarus, Mogiljow

Guten Tag, lieber Gottfried Eberle und Sibylle Suchan-Floss.

Erstens: Ich wünsche Ihnen und all Ihren Verwandten und Freunden gute Gesundheit, ein glückliches langes Leben und Frieden in Ihren Familien und auf dem ganzen Planeten.

Ich möchte Ihnen auch für die Arbeit danken, die Sie in das Sammeln von Spendengeldern stecken, die Sie uns zukommen lassen. Und ein Dankeschön an alle, die nicht gleichgültig geblieben sind und für einen guten Zweck gespendet haben. Vielen Dank an alle guten Menschen und natürlich auch an Ihre Organisation, die sich dieser Aufgabe angenommen hat.

Ich möchte mich ein wenig dem Thema „Krieg“ zuwenden. Ja, Belarus hat viel unter den Faschisten gelitten. Natürlich ist ein Krieg ein Krieg, und diese Krieger – genau die Soldaten, die an diesem „Fleischwolf“ teilgenommen haben – haben sich nichts vorzuwerfen. Und in Ihrem Volk, wie auch in unserem, hat niemand sie gefragt: „Willst du kämpfen und getötet werden oder zu Hause bei deiner Familie bleiben?“ Und wenn ein Mann am Leben bleiben und nicht in den Krieg ziehen wollte, war er ein Verräter und wurde an die Wand gestellt – das war also die Frage. Es gab also nur zwei Auswege, einen dritten gab es nicht.

Natürlich gab es alle Arten von Soldaten. Einige waren gut, andere waren böse. Und natürlich bleibt das Böse länger in Erinnerung. Aber, wie meine liebe Mutter, die inzwischen verstorbene Matryona Michailowna A., sagte, gab es auch unter den Deutschen Menschen. Sie war mit mir schwanger, als sie deportiert wurden. Sie musste nicht draußen Schützengräben ausheben, sondern wurde in Häuser gebracht, in denen Deutsche wohnten, und dort hat sie geputzt, ihre Wäsche gewaschen, für sie gekocht. Dafür wurde sie mit Lebensmitteln bezahlt, mit denen sie ihr ganzes Dorf ernährte, das mit ihr zusammen deportiert worden war. Und sie sagte immer wieder, dass viele Mitbewohner verhungert wären, wenn die Deutschen ihr kein Essen gegeben hätten. Denn als sie vertrieben worden waren, hatten sie nichts mitnehmen können, da die Front das Gebiet, in dem sie lebten, bereits erreicht hatte, und die Zivilisten flohen nur mit dem, was sie am Leib hatten, ohne zu wissen, ob sie zurückkehren würden oder nicht.

Meine liebe Mutter war schwanger von ihrem Mann, der in dem Finnischen Krieg (1939-1940) ein Bein verloren hatte, so dass er nicht zum Kampf im Großen Vaterländischen Krieg eingezogen werden konnte. Trotzdem ist er hier durch die Hand der Deutschen gestorben. Er war auf dem Weg vom Dorf nach Mogiljow, da er in Mogiljow ein Haus besaß und dort wohnen wollte. Aber daraus wurde nichts, denn der Weg führte durch den Wald, er wurde erwischt und für einen Partisanen gehalten und er erschossen. Als ich geboren wurde, war mein Vater also nicht mehr am Leben. Und ich habe nicht einmal ein Bild, auf dem ich meinen Vater ansehen könnte. Und er wusste nicht einmal, wer ihm geboren wurde. Wir hatten also alle genug Kummer und Not, Hunger und Kälte. Wir lebten in einem Keller, bis die Grube einstürzte und wir fast von der Erde erdrückt wurden. Wir kamen kaum lebend heraus.

Was soll ich sagen: Krieg ist Krieg. Und es war für niemanden einfach. Obwohl, wenn man es mit anderen vergleicht, kamen zumindest die Brüder meiner Mutter lebend aus dem Krieg zurück, und das war ein großer Segen.

Wir können natürlich endlos darüber schreiben und reden, aber ich will Sie nicht mit meinen Erinnerungen behelligen. Nach dem Krieg gingen wir in Bastschuhen in die ungeheizte Schule, wo uns die Fußlappen an den Füßen festfroren. Unsere Hände waren eiskalt und wir konnten weder einen Federhalter, noch einen Bleistift halten, und wir hatten furchtbaren Hunger: Wir saßen im Klassenzimmer und es träumte uns Brot. All das haben wir überlebt.

Und jetzt, dank Gott und unserem Präsidenten Alexander Grigoriewitsch Lukaschenko, leben wir gut und haben Frieden in unserer Republik. Gott sei Dank schlafen wir im warmen, satten und ruhigen belarussischen Frieden ein. Gebe Gott uns weiter so zu leben. Wenn man im Fernsehen sieht, wie Menschen leiden, dann lebt Gott jetzt bei uns.

Und so beende ich meinen Dankesbrief.

Alles Gute für Sie und für Ihr Volk. Frieden, Wärme und Freude im neuen Jahr 2022, und nicht nur in diesem Jahr, sondern auch weit darüber hinaus.

Hochachtungsvoll

A. Alexandra Nikititschna

Ich bin mit der Veröffentlichung einverstanden.

Übersetzung: Karin Ruppelt und Igor Makarow