Jewdokija Martynowna L. – Freitagsbrief Nr. 226

Belarus, Gebiet Mogiljow

Guten Tag, liebe Mitarbeiter des Vereins!
Vielen Dank, dass Sie uns nicht vergessen haben. Ich habe das von mitfühlenden Menschen in Deutschland gespendete Geld erhalten.

Es war in der Tat nicht leicht, die Jahre des Großen Vaterländischen Krieges in den besetzten Gebieten zu überleben.

Ich, JewdokiJa Martynowna L., wurde am 1. Januar 1936 geboren.

Während des Großen Vaterländischen Krieges lebte ich im Dorf Batsewitshi mit meiner Mutter Nadezhda Aleksejewna P. und meinem Bruder Wowka. Mein Vater Martyn Maksimovitsch Rybak schloss sich den Partisanen an, als die Deutschen in das Dorf kamen. Im Jahr 1942 brannten sie unser Haus nieder, da wir eine Partisanenfamilie waren. Unsere eigene Großmutter hatte Angst, uns zu beherbergen, da ihr Sohn in der sowjetischen Armee diente, und wir waren doch eine Partisanenfamilie. Aber Klawdija aus unserem Dorf hatte Mitleid mit uns und ließ uns bei sich wohnen.

Es gab kaum Brennmaterial, also warfen wir sogar trockenes Gras und Blätter in den Ofen. Einmal geriet eine Patrone zusammen mit den Blättern in den Herd, schoss heraus, flog an mir vorbei und traf die gegenüberliegende Hauswand, ich überlebte.

Ich erinnere mich, dass die Deutschen kamen und meine Mutter, meinen Bruder und mich mitnahmen. Sie schlugen grausam auf meine Mutter ein und brachten uns in ein Haus am Rande des Dorfes, in dem sich schon andere Dorfbewohner befanden. Alle wurden für die Verschleppung nach Deutschland bereitgemacht. Meinen Bruder und mich warfen sie aus dem Haus direkt in den Stacheldraht; die Narben habe ich noch immer. Meine Mutter wurde dann doch nicht nach Deutschland verschleppt, weil ein junger „Polizaj“ [einheimischer Kollaborateur / d. Übers.] kam und alle aus dem Haus gehen ließ. Dann versteckten wir uns im Wald in der „Großen Schlamm“, wo wir lange Zeit in einer Grube saßen; wir waren am Verhungern.

Ich war noch klein, aber erinnere mich an einzelne Momente. Mein Bruder ist gleich nach dem Krieg gestorben, aber ich habe überlebt.

Mein Vater starb 1943, auf einer Aufklärungsmission.

1944 kam die lang ersehnte Befreiung, aber auch nach dem Krieg war es sehr schwierig, wieder aufzubauen und sich zu versorgen, vor allem ohne starke, zuverlässige männliche Hände.

Es ist unmöglich, sich ohne Tränen in den Augen an die Kriegsjahre zu erinnern, aber es ist auch unmöglich, sie zu vergessen. Sie sind wie unheilbare Wunden in unserem Herzen.

Ich danke Ihnen noch einmal für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Verständnis.

(Unterschrift)

Übersetzung aus dem Russischen: Karin Ruppelt und Igor Makarov