Anatolij Prokofjewitsch Kowalewskij – Freitagsbrief Nr. 142

Belarus, Gebiet Grodno

Aus dem Russischen von Valerie Engler

Fortsetzung des 248. Freitagsbriefs und des 141. Freitagsbriefes. Der Bericht stammt aus dem Jahr 2010. Mit der Heimkehr von Anatolij Prokofjewitsch Kowalewskij im Jahr 1946 schließen wir  die Serie seines Berichts aus der deutschen Kriegsgefangenschaft ab.

In dem Lager, in dem die Franzosen uns so großzügig bewirteten, blieben wir nur zwei Tage. Dann brachten sie meinen Weggefährten Wanja in das alte Lager zurück und mich in ein Straflager, da ich als Organisator der Flucht galt, wo ich zu einem Monat Einzelarrest verurteilt wurde. Tagsüber wurde ich zur Arbeit geführt, am Abend brachte mich ein Wachsoldat zu einem kleinen Schuppen aus Beton mit einem kleinen Fensterchen und sperrte mich dort ein. Es war schon November und sehr kalt. Ich werde mein ganzes Leben nicht den Deutschen vergessen, der mir half, einen alten Mann, der dort wohnte. Wenn der Wachsoldat sich von Schuppen entfernte, brachte er mir einen Schlafsack und warf ihn mir unbemerkt durch das Fenster hinein. Ich schlüpfte in diesen Schlafsack, wärmte mich darin auf und schlief ein. Am Morgen, bevor der Wachsoldat kam, legte ich den Schlafsack hinten in eine Ecke, damit er ihn nicht bemerkte. Am Tag holte der alte Mann den Schlafsack wieder ab, um ihn mir nachts wieder durchs Fenster zu werfen. Dieser gute Mensch hat mir in dieser Zeit das Leben gerettet. Ich werde seiner immer in Dankbarkeit gedenken.

Eigentlich unterschied sich das Straflager nicht sonderlich von den anderen Lagern, nur dass die Bewachung um einiges strenger war und schärfere Disziplin herrschte. Die Arbeit war aber die Gleiche. In diesem Lager lernte ich, kleine Vögel aus Holz anzufertigen, die, wenn man sie schüttelte, anfingen, Körner zu picken. Diese Vögelchen verkaufte ich dann. Es gab Menschen, denen bewusst war, welchen Hunger wir litten und die uns für unsere handgefertigten Spielsachen Lebensmittel gaben. Aus den Gesprächen wussten wir, dass die Front immer weiter nach Westen vorrückte. Die Behandlung der Gefangenen änderte sich zum Besseren.

Dann kam das Frühjahr 1945. Die Deutschen befanden sich im Rückzug. Ein benachbartes Lager für Kriegsgefangene wurde von einer SS-Einheit gestürmt und etwa 100 unserer Gefangene wurden erschossen. Anfang Mai erreichte die Front Dresden, und das war nicht mehr allzu weit von unserem Lager entfernt. Alles geriet in Bewegung und die ersten Flüchtlinge tauchten auf. Zu der Zeit führte die amerikanische Luftwaffe heftige Luftangriffe auf deutsche Städte. Die Bombardierungen waren einfach mörderisch. Wir Gefangene arbeiteten an der Bahnlinie in der Nähe einer Stadt mit etwa 25 000 Einwohnern. Eines Tages wurde diese Kleinstadt innerhalb von einer halben Stunde vollständig zerstört, sie wurde in einen Haufen Ruinen verwandelt. Das gleiche Bild bot sich mir dort, wo eine der schönsten Städte gewesen war – Dresden. Sehr viele Architekturdenkmäler, Kirchen und andere Kulturgüter wurden zerstört und ein großer Teil der Zivilbevölkerung wurde getötet.

Dann kam der 23. Mai 1945 [sic!] und wir waren endlich frei! An diesem Tag befreite uns der KGB einer Armeeeinheit und ordnete an, dass wir uns auf eigene Faust auf den Weg nach Dresden machen sollten, von wo aus wir in die Heimat gebracht würden. Das Wetter war ausgezeichnet, sonnig und warm. Als Erstes mussten wir unsere Kleidung mit dem SU auf der Brust gegen etwas anderes eintauschen, aber das war zu der Zeit nicht schwierig. Viele Geschäfte waren geplündert und alles lag einfach herum – bitte, nimm dir einfach, was du brauchst. Meine Freunde und ich kleideten uns neu ein und machten uns auf den Weg nach Dresden. Bis dorthin waren es mehr als 100 km. Auf allen Straßen waren Menschenmassen unterwegs, niemand wusste, wer wohin ging. Wir sahen eine Gruppe von etwa 20 – 30 Zigeunern, die einen hohen zweirädrigen Karren zogen, auf dem ein Haufen Kinder saß; manch einer führte seine Habseligkeiten auf einem Fahrrad oder einer Schubkarre mit sich. Ganz Europa war in unterschiedlicher Richtung unterwegs. Nach zehn Tagen erreichten wir Dresden. Ein junger neunzehnjähriger Leutnant nahm uns in Empfang, ein KGBler, und machte uns in strengem Ton Vorhaltungen, warum wir in Gefangenschaft geraten waren und nicht wie Soja Kosmodemjanskaj[Russische Partisanin, die zur Heldin der Sowjetunion erklärt wurde, nachdem sie Ende 1941von der deutschen Wehrmacht bei einem Sabotageakt im besetzten Gebiet festgenommen und öffentlich hingerichtet wurde. [Anm. d. Übs.]] unser Leben beendet hatten. Wir hörten uns diesen Grünschnabel an und jeder dachte bei sich, dass es solche Funktionäre waren wie er, auf die sich unser System stützte. Man brachte uns in ein riesiges Lager, in dem alle zusammengewürfelt waren: Militärs, Zivilbevölkerung, Frauen, Kinder aus allen Gebieten der Ukraine, Weißrusslands, dem Baltikum und Russland. Die SMERSCH-Kommission [Tod den Spionen – Überprüfungskommission für ehemalige Kriegsgefangene] oder vielmehr der KGB arbeitete auf Hochtouren. Man lud uns vor, notierte alles, was mit uns während des Krieges passiert war. Natürlich wurden alle Angaben überprüft. Es hatte im Lager eine Akte zu jedem von uns gegeben.

Dann wurde eine Gruppe von etwa 200 Personen abgesondert, alles junge Leute. Einige Zeit später kamen Militärs aus verschiedenen Armeeeinheiten, um uns abzuholen: die Armee brauchte neue Soldaten. Auch ich kam zu einer solchen Einheit. Das war Ende Juni 1945. Aber es war gut, dass ich zur Armee kam, denn viele befreite Kriegsgefangene wurden in die Bergwerke, auf den Bau und an verschiedene andere Einsatzorte mit gesundheitsschädlichem Klima verschickt, sogar nach Sibirien. Die „Käufer“ brachten uns zur Einheit, wo wir medizinisch untersucht wurden. Bei mir entdeckten sie eine Krankheit, Krätze, und so kam ich zur Sanitätsstelle. Dort gaben sie mir eine Salbe zum Einreiben, ich rieb mich also immer wieder ein und ansonsten erholte ich mich. Die anderen Jungs aber, die mit mir zu dieser Einheit gekommen waren, waren außer während der Mittagspause die ganze Zeit in Bewegung. Sie mussten marschieren und die Kommandeure waren so übereifrig, dass die Jungs sich am Abend vor Müdigkeit kaum noch bewegen konnten. Ich dagegen einigte mich mit Arzt und Krankenschwester, pflegte ein paar Wochen meine Wehwehchen gesund, dann aber musste ich die Sanitätsstelle verlassen und zusammen mit den anderen trainieren – Aufstehen, Hinlegen, im Laufschritt und weitere Schikanen der Starschina. Eines Tages kam Hauptmann Gorelik (Jude) vom 122. Regiment zu uns und fragte uns: „Wer von euch kann angeln oder jagen?“ Viele Hände gingen in die Höhe. Einige von ihnen notierte er sich. Ich stand dabei und dachte mir, warum bin ich nur kein Fischer oder Jäger? Später ging ich zum Hauptmann und fragte ihn: „Vielleicht brauchen Sie einen erfahrenen Metzger, der schlachten und Fleisch verarbeiten kann?“  [Kowalewskij war gelernter Schlachter d.Übers.] Er notierte sich meinen Namen in seinem Notizbuch. Etwa fünf Tage danach kam Leutnant Altajskij in unsere Einheit und rief mich und drei Jäger zu sich. So nahm ich also von meinen Freunden Abschied und wir fuhren zum Wirtschaftsstandort des 122. Regiments. Mir wurde die Verarbeitung der Jagdbeute übertragen, die mir die Jäger brachten. Das Regiment war 60 km westlich von Wien stationiert. Eine bergige Gegend, alle Berge waren bewaldet, eine wunderschöne Landschaft und ein ausgezeichnetes Klima. Die Menschen waren wunderbar, sie waren sehr nett zu uns. Im Wald und in den Bergen gab es viele wilde Ziegen und Widder, ein ausgezeichneter Landstrich zum Jagen. Unsere Jäger gingen so eifrig ans Werk, dass ich mit dem Verarbeiten der Tiere und der Lieferung des Fleisches an die Regimentsküche kaum nachkam. Natürlich übernahm niemand die Verantwortung für diese wüste Wilddieberei. Das Fleisch der Widder schmeckte sehr gut, es zählte mehr als das Fleisch der Wildziegen. Ich schloss Bekanntschaft mit einigen Offizieren, die Lammfleisch brauchten. Sie hatten einige junge Österreicherinnen zum Abend eingeladen, und die Etikette erforderte, sie mit einem Abendessen zu bewirten.

Aber alles Gute hat offensichtlich ein Ende. In Österreich wurde eine neue Regierung eingesetzt. Daraufhin wurden unsere Wilderer aus dem Wald entfernt, und ich wurde in den kleinen Ort Hirschwang, etwa 5km weiter, versetzt. Dort gab es einen alten Österreicher, einen guten Menschen, der seinen eigenen Schlachthof mit Wurstfabrik hatte. Früher hatte er selbst geschlachtet und das Fleisch verarbeitet, Wurst hergestellt und an die Bevölkerung verkauft. Bei diesem Mann, Gott hab ihn selig, habe ich von Oktober 1945 bis Ende April 1946 gearbeitet. Ich fuhr etwa einmal die Woche mit dem Auto nach Ungarn. Dort wandte ich mich dann mit meinen Papieren an die ungarischen Behörden. Von ihnen bekam ich Anweisungen, wohin ich fahren sollte und wer mir 2-3 Stück Vieh zur Schlachtung abtreten sollte. Ich brachte das Vieh dann zum Schlachthof, wo wir es zusammen mit dem Eigentümer schlachteten. Das Fleisch lieferten wir ans Vorratslager ab, den Kopf und die Innereien gab ich nicht ab, das blieb bei dem Österreicher, wofür er sehr dankbar war. Als wir genug Fleisch abgeliefert hatten, fuhr ich nach Ungarn und sammelte Kohl für eine Konservenfabrik ein, die in der Nähe von Budapest war. Dort gab es riesige Fässer, wahrscheinlich jeweils für 3-4 Tonnen Kohl. Aus irgendeinem Grund verkauften die Madjaren einen Wodka namens „Palinka“, der sehr stark war, wahrscheinlich hatte er 70% Alkohol, aber leicht nach Kohl roch. Außerdem fuhr ich noch einige Male nach Ungarn, um Kartoffeln zu holen. Einmal hatte ich mit den Kartoffeln aber große Schwierigkeiten. Ich kam in ein Dorf, suchte den Dorfvorsteher auf und zeigte ihm ein Dokument, nach dem er angewiesen wurde, drei Tonnen Kartoffeln abzuliefern. Der Dorfvorsteher, ein älterer Mann, hängte sich eine Trommel um den Hals, ging mit der Trommel durchs Dorf und rief aus, welcher Dorfbewohner Kartoffeln abliefern sollte und wie viel. Später wog ich mit ihm die Kartoffeln ab, die die Dorfbewohner abgeliefert hatten, und wir verluden sie in den Wagen. Als wir die drei Tonnen beisammen hatten, händigte ich ihm das Dokument aus und gegen Abend fuhren wir ab. Später machten wir in einem anderen Dorf Halt zur Nacht, und ich suchte den Dorfvorsteher auf, damit er uns einen Platz zum Übernachten zuteilte. Er wies uns ein Quartier mitten im Dorf zu. Das Auto stellten wir im Hof ab. Abends hielt ich Wache am Auto, dann beauftragte ich den Soldaten, der mit mir unterwegs war, mit dieser Aufgabe. Am nächsten Morgen stand ich auf, ging zum Auto und entdeckte, dass nicht weniger als 500-600 kg Kartoffeln geklaut worden waren. Der Soldat hatte sich schlafen gelegt und da hatten die Madjaren um uns herum losgelegt. Es war nur gut, dass ich in der Einheit, an die ich die Kartoffeln abliefern musste, gute Bekannte hatte. So ließ sich dieser traurige Vorfall regeln. Aber es ist doch trotz allem wahr, dass die Nationen sich voneinander unterscheiden, in ihren Gewohnheiten, der Lebensweise, dem Verhalten und vielen anderen Dingen. Die Österreicher sind ein sehr ehrliches und anständiges Volk, die Madjaren, ihre Nachbarn, dagegen sind ein Zigeunervolk, sie sind unzuverlässig und neigen zu Diebstahl. Es gab sehr viele Zigeuner in Ungarn. Im April 1946 bekam unsere Einheit die Anweisung, Österreich zu verlassen und die Einheit wurde in die Stadt Peč verlegt, die einige Kilometer von der Grenze zu Jugoslawien entfernt ist.

In Österreich kam es für mich zu einem historischen Ereignis: Ich traf meinen Cousin Konstantin Nikolajewitsch Semzow wieder. Ich hatte aus Hirschwang einen Brief in die Heimat geschickt. Einen Monat später bekam ich einen Antwortbrief aus Rudkowschina, von meinem Cousin Konstantin. Er schrieb mir, dass meine Mutter gestorben war; er sei gerade im Heimaturlaub, seine Einheit sei im Westen stationiert. Er nannte mir seine Adresse, und als ich die Nummer seiner Einheit sah, da erinnerte ich mich, dass mir diese Einheit schon mal untergekommen war. Ich stellte Nachforschungen an und fand heraus, dass es in unserer Division eine Pioniereinheit gab, und ihr Kommandeur war – Hauptmann Semzow. Alles fügte sich irgendwie zusammen wie ein Puzzle. Zwei Wochen später, am Sonntag, kam Semzow zu mir in die Einheit. Das war vielleicht eine Freude, schließlich hatten wir uns sieben Jahre nicht mehr gesehen. Ich ging zu meinem Chef in den Schlachthof und erzählte ihm davon, wie ich meinen Cousin wiedergefunden hatte – zu der Zeit sprach ich schon ganz anständig Deutsch -, und dass dieses Ereignis gebührend begangen werden musste. Er gab mir eine Flasche bulgarischen Wodka aus dem Jahr 1920, zwei Flaschen Wein, Wurst – kurzum, alles zusammen eine große Tüte Lebensmittel. Ich trug all das in die Wohnung, in der mein Cousin auf mich wartete, und wir begannen, dieses denkwürdige Treffen nach so vielen Jahren zu feiern. Später hat Konstantin immer wieder gesagt, dass er mich nicht so hätte empfangen und bewirten können, wenn ich damals zu ihm gekommen wäre. Aber das hatten wir alles dem alten Österreicher zu verdanken, der mich sehr mochte und schätzte, wie ich ihn übrigens auch.

Hirschwang ist ein sehr schöner Ort, er liegt in einer Bergschlucht, im Osten ist ein Berg von 2009 m Höhe, er gehört schon zu den Alpen. Vom Berg herunter wurde eine Wasserleitung verlegt, so wird der Ort mit Wasser versorgt sowie die Papierfabrik, die ununterbrochen in Betrieb war. Der Direktor der Fabrik lebte nicht weit entfernt, in einem großen vierstöckigen Haus, das exklusiv eingerichtet war: es gab Säle, in denen Hirschgeweihe, Hörner von Ziegen und Widdern an den Wänden hingen. Darunter stand jeweils, wer das Tier erjagt hatte und wann. Die Söhne des Direktors lebten in Wien, arbeiteten bei der Regierung. Am Berg gab es eine Seilbahn, mit einer Gondel, in der 25 Personen Platz hatten, und die Gondel bewegte sich dann am Seil den Berg hinauf. Oben war ein Restaurant mit den verschiedensten Speisen und Getränken, außerdem hatten sie dort ein Sortiment verschiedener Skier – Alpin und Langlaufski. Ich war mit den Kameraden einige Male dort oben. Wenn gutes Wetter war, hatte man einen sehr schönen Ausblick auf die Umgebung.

Dann mussten wir diese wunderschöne Landschaft verlassen und zogen nach Peč um. Dort wurde meine Arbeit nicht mehr gebraucht, denn das Fleisch wurde aus dem Lebensmittellager bezogen. Es war Mai. In der Nähe war der Divisionsstab. Auch Semzow war nicht weit entfernt, zusammen mit seiner Frau Sascha. Ich war einige Male bei ihm, nachdem wir nach Peč verlegt worden waren. Bald darauf kam die Anordnung der Regierung, dass alle Soldaten bis einschließlich Jahrgang 1920 aus dem Armeedienst entlassen werden sollten. Das betraf auch mich. Ich machte mich also bereit zur Abfahrt in die Heimat. Ich hatte aus Österreich einen Anzug, eine Jacke aus Ziegenleder, eine Hose und einige weitere Kleinigkeiten – aber wie sollte ich das alles durch den russischen Zoll bringen? In Brest war eine Kommandantur, wo einem alles abgenommen wurde, und es gab nichts, was man dagegen tun konnte. Wir trafen also mit dem Zug in Brest ein, und dort musste unser Zug auf die russischen Gleise umgestellt werden. Da hätte ich fast alle meine Sachen verloren. Aber der Herr im Himmel hatte wohl Mitleid mit mir. Wir stiegen in den Zug Brest – Moskau ein. Meine Papiere waren bis Orscha ausgestellt, ich hatte alle meine Sachen dabei, man hatte mir nichts abgenommen. Ich traf also in Orscha ein und ging zu Archipow (Maria Mokowzewas Mann). Dort blieb ich einen Tag. Archipow war mit mir zusammen in der Gefangenschaft gewesen, in Alytus, später wurden wir getrennt. Auch dieses Treffen war voller Erinnerungen an Vergangenes. Am nächsten Tag nahm ich mir ein Fahrrad, schnallte meinen Armeesack auf den Gepäckträger und machte mich auf den Weg nach Rudkowschina, wo ich schon sechs Jahre lang nicht mehr gewesen war. Ich nahm von Orscha nicht den Weg über Gorezkaja, sondern fuhr Richtung Dubrowno. Ich war verwirrt, denn alles schien mir unbekannt zu sein. Ich schrieb das dem Krieg zu – wahrscheinlich waren die Dörfer niedergebrannt worden. Dann sah ich eine große Siedlung vor mir. Ich fragte eine Frau auf dem Weg, was das für eine Siedlung sei, und sie antwortete mir: Dubrowno. Das war wirklich ein Schock für mich. Dann nahm ich den kürzesten Weg über die Dörfer. Es war der 20. Juni 1946. Etwa um 18 Uhr kam ich bei meiner Tante Agafja Antonowna an. Eine Menge junger Mädchen kamen bei meiner Ankunft zusammengelaufen, aber ich erkannte sie nicht, wusste nicht, zu welcher Familie sie gehörten.

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