Weniamin Abramowitsch B. – Freitagsbrief Nr. 110

Weniamin Abramowitsch B.

Ukraine, Odessa
23.10.2012

Ich, Weniamin Abramowitsch B., wurde 1939 geboren, in Odessa, Bolgarska-Straße 15/ 12. Im September 1941 wurde mein Vater an die Front eingezogen. Einer unserer Nachbarn hatte ein Pferd und einen Pferdewagen. In der Nacht brachte er unsere ganze Familie damit aus der Stadt, und dann marschierten wir zu Fuß Richtung Wosnesensk, wo wir Bekannte hatten. Wir waren zehn Tage bis dort unterwegs. Dann trafen wir endlich bei unserer Bekannten ein, sie gab uns zu essen und wir konnten bei ihr übernachten. Am nächsten Tag brachte sie uns zu ihrer Schwester Vera, die uns in ihrem Keller versteckte. Dort lebten wir dann etwa einen Monat. Dann sagte sie uns, dass die Rumänen im Dorf waren und es sehr gefährlich für uns sei, zu bleiben, denn sie könnten uns finden und dann würden sie uns erschießen. Deshalb brachte sie uns zur Landstraße, und wir liefen die Bahngleise entlang. Aber nach zwei Tagen wurden wir entdeckt. Sie nahmen uns fest und brachten uns nach Wosnesensk zu einem Kohlelager. Dort gab es noch andere Leute wie uns. Wir blieben dort etwa einen Monat.

Dann trieben sie uns alle zu Fuß nach Obodowka im Gebiet Winniza. Ich befand mich bis zum Frühjahr 1944 im Ghetto dieses Ortes, zusammen mit meiner Mutter, Rosa Benjaminowna B., geboren 1912.

Meine Mutter und ich haben während der Zeit im Ghetto in der Landwirtschaft gearbeitet, meine Mutter außerdem in der Wäscherei, wo sie die Wäsche und die Uniformen der deutschen Soldaten waschen musste.

Die deutschen Soldaten behandelten uns gut, weil wir arbeiteten. Ich holte Wasser vom Brunnen, hängte die Wäsche auf, meine Mutter wischte die Fußböden und nähte Knöpfe an. Dafür bekamen wir Rüben, Kartoffeln und etwas Mehl, Mais etc. Wer arbeitete, der wurde von den Deutschen nicht gedemütigt oder schikaniert. Auch die Kranken ließen sie in Ruhe.

1944 wurden wir befreit und kehrten nach Odessa zurück.

Ich, Weniamin Abramowitsch B., möchte Ihnen herzlich für die Unterstützung aus Deutschland danken, von der Regierung Ihres wunderbaren Landes und ebenso von den einfachen deutschen Bürgern. Ich danke Ihnen allen für Ihre Hilfe. Wir alle sind Ihnen sehr dankbar.

Auf Wiedersehen und mit den besten Grüßen,

W. A. Beloschewskij

Aus dem Russischen von Valerie Engler