Nina Grigorjewna P. – Freitagsbrief Nr. 174

Belarus, Gebiet Mogiljow

Guten Tag!

Unsere ganze Familie grüßt Sie auch. Wir wünschen Ihnen alles Gute und drücken Ihnen und Ihren Leuten vor allem unsere große Dankbarkeit dafür aus, dass Sie uns geholfen haben.

Ich, Galina Iwanowna – Tochter von P. Nina Grigorjewna und P. Iwan Filippowitsch, habe mich entschlossen, Ihren Brief zu beantworten, da meine Mutter sehr schwach ist und nicht antworten kann, sie ist 84 Jahre alt. Unser Vater verstarb am 15.03.2021, er war Schwerbehinderter der ersten Gruppe, war schwer krank. Meine Mutter hat es noch geschafft, die Euro zu bekommen, aber mein Vater nicht. Er starb 10 Tage, bevor er die Euro hätte erhalten sollen. Er bekam das Geld nicht, obwohl er bereits auf der Liste stand. Er wollte unbedingt am Leben bleiben, um das Geld zu bekommen. Und die ganze Zeit sagte er: “Tochter, es ist sehr schwer für dich, dich um uns zu kümmern und für uns zu sorgen. Wenn ich die Euro bekomme, reicht es wenigstens für einen Grabstein für mich.” Aber er starb vorher und bekam nichts. Und warum? Seine Frau hätte es bekommen können, oder die Kinder. Nun, es lässt sich nicht ändern, die Gesetze sind so.

Aus den Erinnerungen meines Vaters an den Krieg

Er sagte, es habe alle Arten von Deutschen gegeben. Einige hätten sich wie die Tiere benommen, andere waren freundlich. Wenn die Deutschen ins Haus kamen, versteckten sich die Kinder gewöhnlich hinter dem Ofen. Die Deutschen baten die Hausfrau, ihnen etwas zu essen zu geben: “Mütterchen, Eier”. Einige verschenkten Schokolade. Viele Male beschossen Flugzeuge das Dorf und alle Leute flüchteten durch die Kartoffeläcker in den Wald. Wenn die Flugzeuge wegflogen, rannten sie weg durch die Kartoffelpflanzen, wenn die Flugzeuge zurückkamen, versteckten sie sich wieder in den Kartoffelpflanzen, damit sie nicht gesehen werden konnten. So kamen sie bis zum Wald.

Aus den Erinnerungen meiner Mutter

Wenn die Strafkommandos der Deutschen kamen, gingen die Leute auch in die Wälder. An dem Ort, an dem meine Mutter lebte, gab es einen Wald ganz in der Nähe, jenseits des kleinen Flusses. Und als ihr Dorf brannte, versteckten sie sich alle im Wald. Danach lebten sie in Unterständen.

Meine Großmutter hatte zu dieser Zeit 8 Kinder. Meine Mutter war die kleinste. Eines Tages nahmen die Deutschen ihren Vater (meinen Großvater) und ihre Schwester gefangen und sperrten sie in eine Scheune. Mein Großvater flehte die Deutschen an, seine Tochter Theodosia freizulassen – sie war 18 Jahre alt. Die Deutschen ließen sie gehen, aber  der Großvater wurde erschossen. Meine Großmutter musste ihr ganzes Leben lang acht Kinder allein aufziehen. Natürlich war es eine schreckliche Zeit. Gott gebe, dass nun Frieden und Harmonie herrschen, dass so etwas nicht wieder geschieht.

Meine Mutter macht gerade einen sehr schweren Verlust durch, den Verlust ihres Mannes. Obwohl sie älter ist, ist es schwer und hat sie sehr geschwächt. Ich kümmere mich um sie und meinen Mann, er ist Behinderter der 1. Gruppe. So kämpfen wir. Und Gott gebe mir Kraft und Geduld in allem.

Mit Hochachtung und großer  Dankbarkeit,

Meine Familie und meine Mutter.

Wenn etwas nicht in Ordnung ist, bitte ich um Entschuldigung.

Galina Ivanovna B.

Übersetzung aus dem Russischen: Karin Ruppelt