Ekaterina Dmitrijevna K. – Freitagsbrief Nr. 206

Belarus, Gebiet Mogiljow

Guten Tag Gottfried Eberle und Sibylle Suchan-Floß!

Es schreibt Ihnen K. (Mädchenname Ivanova) Ekaterina Dmitrijevna, geboren 1941. Geboren im Dorf K., Bezirk Chaussy, Region Mogiljow. Mein Enkel Alexander tippt den Brief, da ich aufgrund meines Alters Probleme mit meinem Sehvermögen habe.

Ich habe Ihr Schreiben erhalten (Kopie beigefügt). Es ist erfreulich, dass es eine Organisation wie die Ihre gibt, die sich an all die Härten und Schwierigkeiten erinnert, die die Bewohner von Belarus während der Besatzung durch Nazi-Deutschland in den Jahren 1941-1944 erlitten haben, und die versucht, alle Informationen über das Leben der überlebenden Belarussen in dieser Zeit und über die Demütigungen der Menschen durch die Eltern und Großeltern der deutschen Bürger zu sammeln. Ich nehme an, Sie sammeln diese Informationen zur Erinnerung und damit solche Erniedrigungen von Menschen verhindert werden.

Ich bin so ein Kind, das zu Beginn des Großen Vaterländischen Krieges geboren wurde und diese schreckliche Zeit überlebt hat und auch alle Entbehrungen der Nachkriegszeit erlitt, weil es kein Dach über dem Kopf gab, das hatten die Hitler-Besatzer zerstört, und weil mein Vater, der 1906 geborene I. Dmitri Alekseevitsch, ermordet wurde. Meine Erinnerungen an die Kriegszeit von 1941-1944 beruhen auf den Erzählungen meiner 1910 geborenen Mutter I. Olga Saweljewna.

Unser Dorf – K. im Bezirk Chaussy – war von 1941 bis 1944 besetzt. Es beherbergte deutsche Besatzer.

Unser Haus lag am Rande des Dorfes, dort waren Hitler-Soldaten untergebracht, und wir waren gezwungen, mit der ganzen Familie im Viehstall zu leben.

Mein Vater Dimitri, ein Veteran des finnischen Krieges, war im Kampf verwundet worden und hatte ein Auge verloren, so dass er nicht in die sowjetische Armee eingezogen wurde. Dies hat ihn jedoch nicht vor dem Tod bewahrt. Aus mir nicht bekannten Gründen trieben die Besatzer alle Bewohner unseres Dorfes in einen Graben und stellten ein Maschinengewehr auf, holten dann drei Männer heraus, unter denen auch mein Vater Dmitrij war, und erschossen sie im Garten von I. Polikar vor unseren Augen.

Während des Rückzugs brannten die Nazi-Soldaten Dörfer nieder, und auch das Dorf K. wurde nicht verschont. Unser Haus und alle Ställe hatten Strohdächer, alles brannte sehr schnell vor unseren Augen ab. Von diesem Zeitpunkt bis 1958 mussten meine Mutter Olga und ich, meine 1939 geborene Schwester Nadeschda, mein 1935 geborener Bruder Wassili, mein 1932 geborener Bruder Nikolaus und mein 1930 geborener Bruder Kuzma in einer Erdhütte unter unmenschlichen Bedingungen hausen. Schon nach dem Krieg, im Jahr 1945, kam mein älterer Bruder Kuzma um, weil er mit Gleichaltrigen mit Waffen spielte.

Dies ist eine kurze Geschichte aus meinem Leben während des Krieges.

Mit einem Wort, wir sind Kinder des Krieges, die wie durch ein Wunder unter unmenschlichen Bedingungen überlebt haben, und wir bitten jeden, laut zu sagen, dass sich solche Kriege nicht wiederholen dürfen.

Mit Hochachtung für Ihr Anliegen,

K. Ekaterina Dmitrijevna.