Powerin Stepan Wasil’jewitsch – Freitagsbrief Nr. 108

Ukraine, Gebiet Donezk
Powerin Stepan Wasil´jewitsch

Dieser Brief stammt aus dem Jahr 2006. Eine Anmerkung: Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Kriegsgefangenen mit Lastwagen nach Deutschland transportiert wurde, dafür wurden Güterwaggons genutzt.

Ich, Powerin Stepan Wasil´jewitsch, wurde einberufen am 13. Juni 1941 aus dem Gebiet Gorkij, Bezirk Luk´janowskij, Dorf Salmajdan, wo ich lebte und im Kolchos „Woschod“ arbeitete.

Insgesamt wurden aus unserem Dorf etwa 50 Menschen einberufen.

Alle Rekruten wurden ins Lager „Ozero Il’ino“ geschickt, dort brachte man ihnen den Umgang mit Waffen und das Schießen bei. Danach wurde man in die Stadt Gorki geschickt. Dort begann man, Truppen für die Front zu formieren, Waffen und Munition zu laden, und mit dem Zug schickte man uns dann an die Weißrussische Front.

Man brachte uns in die Stadt Gausy, lud die Waffen aus, und dann gingen wir in den Kampf. Eines Tages gerieten wir in einen Kessel, über 100 Leute, und am 28. August 1941 wurde ich in der Stadt Kritschewo [Gebiet Witebsk] gefangen genommen.

Alle Gefangenen wurden zu einer Flachsfabrik getrieben, dann zu Fuß nach Mogilew, wir marschierten einen Tag lang. Man ließ uns in Mogilew arbeiten, wir übernachteten in Fliegerkasernen eines Flugplatzes. Zur Arbeit trieben uns deutsche Soldaten auf die Felder nach einer Schlacht, wo wir Müll und Beute sammelten, die zu einer Sammelstelle gebracht wurden. In Mogilew blieben wir bis 1942. In dieser Zeit überstand ich Typhus, war einen ganzen Monat krank, mich behandelten deutsche Ärzte. Im Lager waren ca. achtzig Tausend Menschen, zwanzig Tausend starben am Typhus.

Im Jahre 1942 brachte man alle in Autos nach Wilna. In Wilna gab es eine dreiwöchige Quarantäne, wir lebten in Baracken.

Danach wurden alle auf Lastwagen geladen und in ein Lager nach Deutschland in der Nähe von Groß-Umstadt [Hessen] gebracht. Nach einiger Zeit fuhr man uns ins Dorf Raibach zur Arbeit, wo wir in einem zweistöckigen Haus wohnten. Die Gefangenen wohnten im zweiten Stock, die Soldaten-Wachmänner im ersten. Der Herr, bei dem wir arbeiteten, hieß Ondrisch Fischer, seine Frau – Krecha, die Kinder Ondrisch und Ilsa. Insgesamt arbeiteten dort 12 Gefangene.

Es gab Menschen aus Leningrad, Weißrussland und anderen Orten. Wir machten alles, was der Herr befahl: pflügten, eggten, säten und mähten. Der Gutsherr hatten in seinem Besitz: 20 Kühe, 2 Pferde, Schweine und Hühner. Als die Kapitulation erklärt wurde, kamen die Amerikaner und luden alle auf die Lastwagen in Groß-Umstadt, anschließend brachte man uns nach Torgau. Dort wurde ich verhört, wie ich in Gefangenschaft geriet. Nach dem Verhör sagte man, wir sollten zu Fuß nach Hause gehen, so kam ich in das Städtchen Kamenka, wo wir in Zelten wohnten, und von dort aus wurde ich zum Wiederaufbau der Bergwerke nach Donezk geschickt, wo ich heute lebe.

22.06.05 [Unterschrift]