Nikolaj Alexandrowitsch B. – Freitagsbrief Nr. 193

Ukraine, Odessa
Februar 2019

Ich, B. Nikolaj Alexandrowitsch, wurde am 20. November 1943 in Odessa geboren.

Es war Krieg, Bomben fielen und zerstörten Häuser, die Menschen hatten Angst.

Ich lebte mit meinen Eltern in der Preobrashenskajastraße … Meine Großeltern mütterlicherseits waren verhaftet und erschossen worden, so dass wir nicht in dieser Wohnung bleiben konnten und meine Familie in eine andre Wohnung in der die Preobrashenskajastraße umzog.

Mein Vater wurde an die Front einberufen, und meine Mutter blieb allein zurück, mit meiner älteren Schwester und schwanger mit uns. Im selben Hof wohnte eine Verräterfamilie, die meine Mutter auf alle erdenklichen Weise erpresste und Geld von ihr forderte. Als sie nichts mehr hatte, das sie ihnen noch hätte geben können, lieferten sie sie an die Polizai aus.

Im Gefängnis wurde sie ewig verhört, gefoltert, man setzte sie auf den elektrischen Stuhl und riss ihr die Zöpfe aus, und das, obwohl sie schwanger war.

Zu diesem Zeitpunkt erließ Hitler den Befehl, Mischehen zu verschonen, und man ließ meine Mutter gehen, doch ihre Gesundheit war dahin.

Bald darauf brachte sie Frühchen zur Welt, Zwillinge. Wir wurden mit sieben Monaten und 1,5 Kilogramm geboren.

Um uns zu retten, wärmte meine Mutter uns im Backofen. So überlebten wir. Dann wurde unser Haus von einer Bombe getroffen, und unsere Eltern brachten uns in ein unfertiges Haus in Bolschoj Fontan. Das Haus hatte kein Dach, nur Wände und Stützbalken.

Mein Vater und der Bruder meiner Mutter hatten vor dem Krieg angefangen, dieses Haus zu bauen, aber der Krieg kam ihnen dazwischen.

Ich weiß noch, wie schlimm meine Schwester Katja und ich hungern mussten. Wir legten uns immer ein zerkautes Stück Brot in die Hand und nuckelten den ganzen Tag daran.

Meine Schwester Katjuscha lebt heute noch mit ihrer Familie in diesem Haus.

Aus dem Russischen von Jennie Seitz