Iwan Grigoryevich K. – Freitagsbrief Nr. 112

Iwan Grigoryevich K.
Minsk, Belarus

Januar 2020

Sehr geehrte Henosse [Original Deutsch], …

In meiner Person danke ich Ihnen aufrichtig für Ihre guten und aufrichtigen Wünsche allen heute lebenden Kriegskindern [? Original Deutsch].

Zu allen Zeiten hatten die einfachen Leute auf der Erde nichts zu verschenken; sie möchten in Frieden und im Einvernehmen mit der Natur und den Menschen und entsprechend ihrer historischen Orte und Lebensweise in den zu ihrer Zeit gebildeten Staaten leben.

 Und jetzt informiere ich Sie über meinen Lebensweg. Zwei Episoden aus dem besetzerischen, räuberischen Krieg sind mir bis heute im Gedächtnis geblieben, der im historischen Abschnitt von 1941 bis 1944 stattfand, da 1944 unser Dorf Kostrichi ebenso wie viele Dörfer und Städte in Belorussiya von den Okkupationstruppen Deutschlands und seiner Satelliten befreit wurde.

 Ich bin 1941 geboren, und unser Haus wurde von den deutschen Soldaten aus folgendem Grund nicht abgebrannt: Man kann sagen, aus Menschenliebe. Während einer Strafaktion wurde unser Dorf Kostrichi vollständig abgebrannt. Zu unserem Glück hielten sich in unserem Haus die Großmutter und der Großvater mütterlicherseits und unsere Mutter auf, Kseniya Semjonova K., geb. 1915, außerdem mein Bruder und ich. Unser Vater war zum Militärdienst einberufen worden und daher war er abwesend.

 Nach einer solchen Strafaktion wurden alle verbliebenen Einwohner unseres Dorfes (Frauen und Kinder) auf einem engen Raum zusammengetrieben, wo sie mehrere Stunden in der Sonne stehen mussten. Danach überflog ein damaliges einfaches Flugzeug ohne Hoheitszeichenunser Dorf und landete in der Nähe. Der Vorgesetzte, der damit ankam, gab seinen Untergebenen das Kommando, die eingesperrten Menschen freizulassen.

Unmittelbar danach verfügte er, sie sollten auseinandergehen und ihre Häuser löschen.

Drei Jahre lang war das Leben Hitze und im Winter Kälte. Wir überlebten irgendwie dank unserer Mutter, die 80 Jahre alt wurde und es schaffte, vier Kinder zu gebären und großzuziehen, zwei Mädchen und zwei Jungen. Alle Kinder leben und sind gesund, alle sind Rentner, mit dem ältesten Bruder Grigorij als Oberhaupt.

Die zweite Episode, an die ich mich erinnere. An einem Sommertag der Jahre 1941 bis 1944 wurde eine Strafaktion zum Zweck der Suche nach Partisanen durchgeführt. Im Nachbardorf Kostrichskaya Slobodka kamen mit Maschinengewehren Bewaffnete an, die nach allen Seiten um sich schossen. Sie liefen in einer Kette. Währenddessen liefen meine Mutter und das Nachbarmädchen Nina Salanovich aus den Häusern und über den Bach um sich in einem Gebiet mit Wiesen und Büschen hinter einem Heuhaufen zu verbergen. Da die Strafbrigade sich näherte und in alle Richtungen um sich schoss, nahm unsere Mama das Risiko auf sich nach Hause zurückzukehren. Mama meinte, dass wir uns im Keller des Nachbarhauses verstecken könnten. So kam unsere Angst an diesem Tag zu einem erfolgreichen Ende. Mein älterer Bruder konnte schon laufen und hielt sich an Mamas Rocksaum fest, und mich hatte sie auf dem Arm.

Und jetzt erzähle ich Ihnen über mich. Die Grundschule (4 Klassen) besuchte ich im Dorf Kostrichi, und die Klassen 5 – 10 im Dorf Labonichi im Gebiet Kirov. Wir Kinder liefen 7 km zur Schule.

Nach dem Abschluss der Mittelschule 1958 fing ich im Auftrag des Komsomol in Kasachstan an zu arbeiten; mein Vetter war auch dort. Ich war dort Gleisbau-Arbeiter in der Kasachischen Brigade BP-137. Da unsere Organisation aus kleinen Wagons auf Wagenrädern bestand (15-17 Stück), verlief unser Leben so, dass wir in ihnen wohnten. Während der zwei Jahre, die ich dort arbeitete, bewegte sich unsere Organisation von der Station Dzhaltyr über Akmolinsk bis zur Station Dzhezkagzgan im Gebiet Karaganda.

Im Jahr 1960 wurde ich zum Dienst in der Sowjetarmee eingezogen, wo ich drei Jahre in der Stadt Puschkin im Gebiet Leningrad diente.

1963 begann ich ein Studium am Leningrader Institut „Friedrich Engels“ für „Lebensmittelkunde und Organisation des sowjetischen Handels“ als Tageskurs. Erfahrungen im Verkauf erwarb ich im Geschäft „Strela“ nahe dem Baltischen Bahnhof in Leningrad und in anderen Geschäften des Systems „Lengastronom“. Das Vordiplom-Praktikum durchlief ich in Alma-Ata im „Gorhlebotorg“ (Brothandel). Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der UdSSR erhielten wir freie Diplome (Mit einem einfachen Diplom mussten die Absolventen einer Hochschule 3 Jahre in ihrem Beruf dort arbeiten, wohin man sie schickte. Besitzer von freien Diplomen konnten selbst den Arbeitsplatz aussuchen d. Übers]

 Da ich in Belorussiya geboren bin, beschloss ich, hier zu arbeiten.

1969 wurde ich zum Leutnant der Versorgungsabteilung ernannt ( Den Absolventen einiger Hochschulen wurde nach Abschluss automatisch ein militärischer Rang zuerkannt d.Übers). Daher wurde ich nochmals auf zwei Jahre zum Militär einberufen. Ich diente im Rang des Leiters der Lebensmittelversorgung im Eisenbahnbataillon der Stadt Komsomolsk-na-Amure. Dort fand ich meine Frau, geborene Galina Ismajlovna, die als Buchhalterin im Betrieb arbeitete. Sie ist in der Moldauischen SSR geboren.

Dann kam eine Versetzung in die Mongolei (Darhan), wo ich 4 Jahre lang Direktor der Abteilung Dienstleistungen war.

Ab 1984 arbeitete ich in Minsk im Groß- und Einzelhandel. Mit 62 Jahren wurde ich pensioniert. Wir haben eine Wohnung und sind gut versorgt. Meine Frau und unsere Enkel verschönern mein Leben. Wir haben eine Tochter, Olga, 35, und zwei Enkel: Andrej, 6, und Kseniya, 3. Die Kinder gehen in den Kindergarten, unsere Tochter arbeitet. Die Freude am Leben dauert an und ich fühle mich gottseidank gut.

So also verläuft das Leben eines Überlebenden, der dank seiner Mutter und dem Schicksal die Jahre der Unruhe überstand. Meine Pension erhalte ich pünktlich, für ein bescheidenes Leben reicht sie aus.

Danke für die Absicht, mir von Ihrer Seite eine bescheidene Wiedergutmachung als Geste des guten Willens und des menschlichen Gedenkens an das Gute zukommen zu lassen.

Alles Gute zum Neuen Jahr, Gesundheit, Erfolg beim Aufbau und die Erhaltung von menschlichen, humanen und zukunftsträchtigen Beziehungen zwischen den Menschen in Belorussiya und in Deutschland .

Etwas gegen gute Dinge zu haben ist eine Sünde.
Friede und Freundschaft zwischen unseren Völkern!

Hochachtungsvoll, ein Einwohner von Belarussiya

K. Iwan Grigoryevich

Übersetzung aus dem Russischen: Igor Makarov und Karin Ruppelt