Ilja Nikanorowitsch Sajez – Freitagsbrief Nr. 66

Ukraine, Cherson
29.04.2005

Erinnerungen eines Kriegsgefangenen.

Ich, Sajez Ilja Nikanorowitsch, wurde am 18. Dezember 1918 geboren.

1940 wurde ich zum Dienst in die Sowjetarmee einberufen, ich studierte gerade im zweiten Jahr am Veterinärinstitut in Charkow und konnte mein Studium erst 1949, nach dem Krieg, abschließen.

Ich diente bei der 99. Schützendivision der Grenzsicherungstruppen in der westukrainischen Stadt Peremyschl, Oblast Lwow, an der Grenze zu Deutschland. Am 22. Juni 1941 begann der Große Vaterländische Krieg.

Beim Rückzug wurde unsere Einheit bei Lwow umzingelt, ich geriet in Gefangenschaft. Die Kriegsgefangenen kamen in ein Lager in Jaroslaw. Nach wenigen Tagen wurden wir in Güterwaggons geladen und nach Deutschland gebracht. Wir kamen nach Westfalen, wo es ein Sammellager für sowjetische Gefangene gab. Kurze Zeit später wurde ein Kommando aus fünf Leuten zusammengestellt und zum Torfstechen nach Mettingen geschickt. In Mettingen gab es ein dauerhaftes Kriegsgefangenenlager, das sich neben einer Torfanlage zur Verarbeitung und Verpackung von Torf als Düngemittel befand.

Im Moor mussten wir den Torf in Handarbeit stechen. Im Sommer trockneten und schickten wir ihn in die Fabrik. Im Winter fertigten wir das Material, machten Besen, befreiten die […] vom Schnee.

Die Versorgung war schlecht, zu essen gab es zwei Mal am Tag: eine Suppe aus Kartoffeln und Steckrüben und 400 g Brot. Zum Anziehen – alte Militäruniformen ohne Mantel, an den Füßen – Holzschuhe. Als Strafe wurden oft Handgreiflichkeiten und Schläge eingesetzt.

Lager und Fabrik gehörten dem Bürgermeister von Mettingen […].

Im Herbst 1944 wurden ein paar Leute aus dem Lager, darunter auch ich, in ein Rüstungswerk in die Stadt Essen geschickt.

Am zweiten Tag wurde das Lager bombardiert, die Absperrung wurde beschädigt, die Wachleute versteckten sich und ein Teil der Kriegsgefangenen konnte fliehen. Wir stiegen auf einen Güterzug, der mit Kohle beladen war. Am nächsten Morgen wurden wir gefasst und wieder in ein Lager gebracht, diesmal nach Dortmund. Infolge der ständigen Bombardierung brachte man uns in ein Militärlager, das als Lager für Ersatzteile diente. Am 12. April 1945 besetzten amerikanische Truppen das Territorium des Lagers und die Stadt und befreiten uns aus der Gefangenschaft. Alle Kriegsgefangenen wurden der Sowjetarmee übergeben. Nach der Sonderüberprüfung diente ich wieder in der regulären Armee.

[Unterschrift]

Aus dem Russischen von Jennie Seitz