Boris Kapitonowitsch Liwadnyj – Freitagsbrief Nr. 100

Es gibt  bei uns  eine Liste mit Briefen, die vorgesehen waren, als “Freitagsbrief” veröffentlicht zu werden, dann aber nicht ausgewählt wurden. Dieser erreichte uns im Juni 2011

Boris Kapitonowitsch Liwadnyj
Russland, Gebiet Rostow

Ich, Liwadnyj Boris Kapitonowitsch geriet im Juni 1941 bei der Stadt Liepāja, Lettland, [dt. Libau] in einen deutschen Kessel. Der Stab der Abteilung wurde von den Deutschen ausgebombt und alles geriet durcheinander. Einige konnten aus der Einkreisung in den Wald entfliehen. Dort trafen wir eine Kompanie unserer Infanterie und schlossen uns ihr an. Einen Tag später gerieten wir in einen deutschen Hinterhalt und wurden aufgerieben. Die am Leben gebliebenen wurden gefangen genommen. Darunter auch ich. Man führte uns zurück nach Liepāja und lud uns in den Laderaum eines Schiffes. Wir fuhren nach Memel (Klaipeda), danach wurden wir wie die Hunde in Viehwaggons geladen und man brachte uns in die Nähe der Stadt Tilsit (Kaliningrader Gebiet). Hier existierten wir zwei Monate im Lager unter unmenschlichen Bedingungen [Dulag 184?], dann wurden wir nach Deutschland nach Greifswald [Stalag IIC] geschickt. In diesem Lager wurden wir in Arbeitskolonnen eingeteilt. Ich kam zu einem Großgrundbesitzer für landwirtschaftliche Arbeiten in den Ort Balkenkoppel zum Getreide dreschen. Hier arbeitete ich ein Jahr lang, dann wurde ich nach Damgarten in eine Schlosserwerkstatt geschickt, wo es eine furchtbare Kontrolle der Kriegsgefangenen gab. Wir hungerten, man zwang uns zwölf Stunden lang zu arbeiten. Vor Hunger begannen die Beine anzuschwellen, viele erkrankten an TBC und sind so gestorben. Am 1. Mai hat uns die Sowjetarmee von der Arbeit befreit und die, die noch auf den Beinen stehen konnten, wurden vom Feld-Kriegskommissariat in die Armee einberufen, wo ich bis Ende 1946 diente und danach demobilisiert wurde.

Wir haben alle Schrecken, Qualen der Gefangenschaft ertragen, aber wir haben tapfer standgehalten und verstanden, dass hinter unseren Rücken Mutter-Heimat steht und für sie waren wir bereit, unser Leben zu opfern. Es gab für uns keine höhere und heiligere Pflicht als die Ehre und die Unabhängigkeit des Vaterlandes zu verteidigen.

Hochachtungsvoll Ihnen und Ihrem Fonds

Liwadnyj B. K.

Übersetzung: Martin Creutzburg